Mir stockte der Atem.
„Ich führe die 6-Tage Woche ein.“
Ein Eintrag auf Facebook. Von einer Unternehmerin.
Nein, sie stockte nicht von fünf Arbeitstagen auf sechs auf (welcher Unternehmer lenkt schon sein Business in fünf Wochentagen?)
Sie war es gewohnt, sieben Tage pro Woche zu arbeiten, also ohne Wochenende, ohne freien Tag. Und wollte dies freudvoll beenden. Zwischen den Zeilen konnte ich sogar ein Gefühl des Luxus und des Überschwanges entdecken. Wahrlich eine kluge Entscheidung und doch: Ein klassisches Beispiel von Selbstausbeutung. Gott sei Dank beendete sie diese.
Dieser Facebook-Eintrag erinnerte mich an das Jahr 1996:
Das Internet war gerade „erfunden“.
Ich ganz vorne mit dabei, als Chefredakteurin war ich verantwortlich für den Aufbau einer Content-Plattform.
Unser Team fing klein an, schließlich waren wir Pioniere. Selbst ist die Frau hieß es. Und ich habe gearbeitet, viel. Habe selbst viele Artikel verfasst, Freelancer angeleitet, Personalfragen gelöst, dafür gesorgt, dass das Unternehmen den Bogen vom Anfangschaos in einen halbwegs organisierten Zustand schaffte.
Es war eine schöne Zeit.
Es war nur möglich, weil ich keine Familie hatte.
Denn ich hatte über vier Jahre lang von März bis November keinen einzigen freien Tag. Das macht keine Familie mit.
Wochenenden gab es nur von Dezember bis Februar, manches Mal nicht einmal dann.
Über vier Jahre arbeitete ich durchschnittlich 60 – 70 Stunden pro Woche. Im Winter hatte ich zu Hause nicht einmal die Heizung eingeschaltet, wozu auch?
Heute bin ich verheiratet und Mutter. Und eines ist mir klar: komme, was wolle, ich werde nie wieder so viel arbeiten wie damals. Der Schock dieser Überforderung steckt mir noch heute in den Knochen.
Machst du dir Leistungsdruck selbst?
Es ist sehr beliebt, die Verantwortung für das Empfinden von Leistungsdruck auf den Einzelnen abzuwälzen. Doch so einfach ist es nicht.
Leistungsdruck entsteht auch durch Überforderung, entsteht durch die heutige Personalpolitik vieler Firmen, mit einem Minimum an Personal auszukommen.
Leistungsdruck entsteht durch das rasend schnelle Tempo, dem wir heute frönen.
Der Druck entsteht auch durch eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Wusstest du, dass in Österreich nur ein verschwindend geringer Anteil der Ein-Personen-Unternehmen mehr als € 2.000,– monatlich verdient? Hier locker zu bleiben, ist nicht so einfach.
Selbstverständlich entscheidest du selbst, wie du auf den heutigen Leistungsdruck reagierst. Manche Menschen krempeln die Ärmel auf und meinen „Heute ist viel zu tun, los geht’s.“, Die Mehrheit hingegen überfällt eine Hektik, eine Panik, die sie wie überdrehte Duracell-Häschen hin- und her scheucht.
Irgendwie glauben sie, durch unablässiges Tun ihre Aufgaben zu schaffen. Das funktioniert auch oft genug. Zumindest eine Zeit lang. Vom fast unabdinglichen Burnout wollen wir jetzt nicht sprechen.
Was passiert bei Leistungsdruck in deinem Kopf?
Kommen wir zu dem, was du beeinflussen kannst: Zu deiner Reaktion auf Leistungsdruck und Überforderung. Deine Gedanken. Deine Gedanken formen deine Welt.
Du willst deine Arbeiten wirklich gut erledigen, das ehrt dich. Jedoch: dein innerer Kritiker ist nicht weit. Er überflutet dich mit Bedenken, Ängsten und Sorgen. Deine Aufmerksamkeit wendet sich dem, was alles schief gehen könnte, zu, du fokussierst auf das Negative. Dein Gehirn ist abgelenkt, du beschäftigst dich mehr mit dem „Wie“ als mit dem „Was“.
Sportler berichten immer wieder davon: ab dem Moment, wo sie sich allzu sehr auf ihr Tun konzentrieren, jeden einzelnen Schlag oder Wurf ganz genau planen, werden sie nervös und erbringen eine schlechtere Leistung, als wenn sie ihrer Intuition vertrauen. Ihr Fokus auf das, was schief gehen könnte, beansprucht wertvolle Hirnleistung.
Das zeigt sich am deutlichsten bei Prüfungsangst. Du hast viel gelernt, zu Hause konntest du alles, aber dann, wenn es darauf ankommt, übernimmt der innere Kritiker das Ruder und dein Gehirn hat keine Kapazität mehr, um das Gelernte abzurufen.
Trotz Leistungsdruck entspannt dein Pensum absolvieren
Werden meine Empfehlungen deinen Leistungsdruck senken? Ja.
Denn sie helfen dir, den Tatsachen ins Auge zu sehen und besser damit zurechtzukommen.
Die Arbeit wird sich nicht in Luft auflösen. Vielleicht braucht es eine komplette Reorganisation oder sogar einen neuen Job. All das kannst du dir in Ruhe überlegen, wenn du dem Leistungsdruck ein Schnippchen schlägst. Lass dich nicht stressen, sondern lächle und tue, was du tun kannst. Und es wird gut sein 🙂
Danke für diesen wunderbaren Artikel, liebe Riccarda!
Danke Dir! Er kam mir aus dem Herzen …. 🙂
Leider viel zu wenig im Blickfeld, die Selbstausbeutung insbesonders bei Selbständigen.
Aber am Ende bezahlt man leider die Rechnung, wenn man es übertreibt.
Ein Artikel der zum Nachdenken anregen sollte.
Hallo Riccarda,
sehr schöner Beitrag und super Schreibstill.
Am besten gefällt mir der erste Tipp: Das Highlight der Woche.
Unter all dem Stress sollte man sich ein Event eintragen, auf das man sich freuen kann. Als Belohnung sozusagen 🙂
Werde es mal in meiner Zeitplanung mal probieren
Danke hierfür!
Gruß
Tomek
Gerne! Was wäre das Leben ohne Highlights? 🙂
lg Riccarda