Die Liebe, die größte Macht des Universums hat auch eine dunkle Seite.
Im Namen der Liebe (zu einem anderen Menschen oder zu Gott) werden die entsetzlichsten Verbrechen oder der größte Selbstbetrug begangen.
Der Missbrauch in Beziehungen segelt gerne unter der Flagge „Wenn du mich wirklich liebst“. Wenn du mich wirklich liebst, hast du täglich Sex mit mir (auch wenn du gar nicht willst, aber ich brauch das einfach, Liebling), stellst jeden Tag ein warmes Essen auf den Tisch (ich arbeite ja den ganzen Tag), wechselst du deinen Job (dein Ex-Freund arbeitet in der Firma, das geht einfach nicht!), hörst auf zu arbeiten (du sollst ganz für mich und die Kinder da sein), machst Überstunden, damit wir uns xxx leisten können, bekommen wir ein Kind oder keines – die Bandbreite ist unermesslich und schließt auch Brustvergrößerungen nicht aus.
Was steckt dahinter?
Es geht um Erpressung, es geht um Macht. Der eine zwingt den anderen dazu, seine eigenen Grenzen zu missachten, sich selbst für den anderen aufzugeben. Man könnte es auch Energievampirismus nennen. Damit es aber nicht anmaßend ausschaut, stelle ich es unter den Deckmantel der Liebe. So wird mein persönlicher Wunsch zu einem offiziell zu erbringendem Liebesbeweis. Die persönliche Ebene wird auf die Sachebene transformiert.
Derjenige, der Liebesbezeugungen verlangt, nährt sich durch die Liebe und die Energien des anderen.
Der Verlangende hat ein tiefes Loch in sich, ein Loch der Leere, ein Loch, das oft in der Kindheit gerissen wurde und aus dem es schallt: „Du bist es nicht wert. Du bist nicht gut genug. Erst durch die bedingungslose Liebe eines anderen wirst du zu einem liebenswerten Menschen.“ Die Argumentation „wenn du mich wirklich liebst“ beinhaltet den verzweifelten Wunsch, dass das Verlangte freiwillig passiert – und erkennt das Paradoxon nicht, wenn eine Bedingung für die bedingungslose Liebe gestellt wird.
Manche Frauen haben ein Helfersyndrom.
Sie glauben, dass all ihre Vorgängerinnen den Mann leider nicht richtig verstanden haben. Aber jetzt, wo sie da ist, wird alles anders, denn sie kann ihm geben, was er braucht, denn sie liebt ihn wirklich. Somit wird er sich zu dem Traumprinzen entwickeln, der er innerlich bereits ist. Sorry, meine Damen, das hat noch nie funktioniert und auf die Ausnahme zu hoffen, die die Regel bestätigt, scheint nicht sehr effizient zu sein.
In meiner Praxis sehe ich immer wieder Beziehungen, die von einem krankhaften Geben und vom Nehmen leben. Deren Hauptverbindungsstück der Kampf um die Macht ist, es scheint erst dann genug zu sein, wenn einer erschöpft, ausgelaugt und gedemütigt am Boden liegt.
Die Anforderungen reichen von:
- Optischen Veränderungen (Haare lang und rot, Brust größer, Abnehmen, Tatoo stechen)
- Modischen Ansprüchen (High Heels, tiefe oder keine Dekolletées)
- Sozialem Umfeld (Jobwechsel, Freunde nicht mehr treffen, Übersiedlungen)
- Lebensumstände (Jahre in ein anderes Land ziehen, Kinder ja/nein, Hobbys)
- Sexualität (Frequenz und Praktiken)
Selbstverständlich bist du in all deinen Entscheidungen frei. Wenn deine Motivation für dein Handeln jedoch ist, deine große und wahre Liebe zu zeigen und öffentlich zu beweisen, dann öffnest du damit die Büchse der Pandora. Es wird für deinen Partner/Partnerin nie genug sein, es werden immer neuere und abstrusere Liebesbeweisanforderungen kommen.
Augenhöhe und offenes Herz
Das absolut Schrecklichste, was ich zu diesem Thema jemals erlebt hatte, passierte während eines Seminars. Eine Teilnehmerin meinte: „Meine Liebe beweise ich, wenn es schwierig ist, wenn niemand mehr diesen Mann lieben kann und ich noch kann, dann ist es wahre Liebe. Einen netten Mann kann jede andere auch lieben. „
Nein, das ist keine Liebe, sondern Abhängigkeit und Co-Abhängigkeit, es hat nichts mit Liebe auf gleicher Augenhöhe und mit offenen Herzen zu tun. Es beweist höchstens weibliche Leidensfähigkeit, macht diese Frau jedoch trotzdem nicht zu einem besseren Menschen, auch nicht zu einer Heiligen.
Die „kleine“ Erpressung:
„Wenn du mich wirklich liebst, …“ tankst du das Auto auf, holst die Sachen aus der Reinigung, rufst bei der Versicherung an und erledigst dies und das. Die kleinen Erpressungen im Alltag sind eher eine Domäne der Frauen. Die Kurzfassung lautet: Ich will etwas erledigt haben ohne lang zu diskutieren. Unter dem Deckmantel der Liebe ist Widerspruch zwecklos und unangemessen.
Aber ganz ehrlich: die Frau von Welt braucht sowas nicht!
Die Wunderwaffe gegen Erpressung:
Bist du mit dir selbst verbunden und kennst deine Ansprüche, Werte und Bedürfnisse? Dann kennst du auch deinen Selbstwert, das ist der Wert, den du dir selbst gibst. Egal, ob deine Selbstliebe optimierbar ist oder nicht, der Wert, den du dir selbst zuerkennst, zeigt schon, dass du auf „wenn du mich wirklich liebst“-Anforderungen nur mit einer einzigen Antwort reagieren solltest. Nämlich mit NEIN.
In meinem Buch „Liebe im Alltag – mit Selbstwert zur glücklichen Beziehung“ schreibe ich davon, wie du in fünf Schritte zu deinem Selbstwert tanzt. Mehr erfährst du hier
Riccarda’s top 3 gegen Erpressung
1. Du bist an der Macht:
Es ist leicht, den anderen der Erpressung zu beschuldigen. Der andere ist maßlos, manipulierend und ein schlechter Mensch. Ja, das mag alles stimmen, aber: du lässt es zu. Du lässt dieses Verhalten deines Partners zu – oder er lässt dein Verhalten zu. Wenn die Erpressung zum Erfolg führt, legst du den Keim für die nächste Erpressung.
2. Es wird nie genug sein:
Wenn du glaubst, du erfüllst eine „Wenn du mich wirklich liebst“-Forderung und hast dann deine Ruhe, muss ich dich enttäuschen. Die eine Forderung zieht die andere nach sich. Willst du wirklich für einen anderen erwachsenen Menschen in dieser Art und Weise verantwortlich sein?
3. Love is all you need:
„Wenn du mich wirklich liebst“, ist ein Schrei nach Liebe, weil sich der andere nicht liebenswert genug fühlt. Die einzige Anwort ist eine Musterunterbrechung. „Schatz, ich liebe dich – und weil ich dich bedingungslos liebe, werde ich auf deine Bedingung nicht eingehen. Ich liebe dich.“ Du kannst kein größeres Geschenk machen und kein größeres Geschenk erhalten.
GROSSARTIG!
Du sprichst aus, was so oft passiert und die Menschen glauben, es wäre Liebe. Wehe dem, der von Erpressung sprechen würde! Toll, das du es tust. Und wichtig!