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„Hast du auch brav deine Haube aufgesetzt?“ „Ja, Mama.“

Das war meine erste bewusste Lüge an die ich mich erinnern kann. Nein, natürlich hatte ich in der großen Pause im Schulhof keine Haube auf dem Kopf. Hauben sind uncool, also bitte!

Ich habe gelogen, weil ich wusste, wie meine Mutter auf die Wahrheit reagieren würde. Mein Lügen war der Versuch, ihre Reaktion zu kontrollieren, es war der Versuch dem Ärger und dem Geschimpfe und der Diskussion zu entkommen.

Aus dem gleichen Grunde belügen sich Partner gegenseitig. „Nein, es macht mir nichts aus, wenn du seit 10 Tagen jeden Abend Kopfweh hast, du Arme.“ „Nein, es macht mir nichts aus, wenn du zu Hause die ausgeleierte, aber so bequeme Jogging-Hose anhast.“ „Ich freue mich auf unsere große Familienfeier.“

Erkenntnis:

Wir lügen, weil wir es einfach haben wollen, wir wollen es bequem haben.

1. Warum wir lügen:

Solange wir befürchten, das Gegenüber könnte zornig werden, enttäuscht sein, solange lügen wir. Sollten wir besonders zart besaitet sein, lügen wir selbstverständlich nur, um den anderen vor Schmerz und Enttäuschung zu schützen. Was nichts daran ändert: kommt es raus, ist das Vertrauen verloren. (Zum Thema Vertrauen kannst du hier weiter lesen.)

Erkenntnis:

Wir werden belogen, weil wir den anderen kontrollieren wollen.

2. Warum wir belogen werden:

Wir werden belogen, weil wir den anderen kontrollieren wollen. Sei es nun bezüglich Ernährung, Alkoholkonsum, finanziellem Gebaren etc. Wir haben eine bestimmte Vorstellung, die umgesetzt werden soll. Der andere hat entweder eine andere Vorstellung oder will sich schlicht und einfach der Kontrolle entziehen. Für jede Handlung gibt es einen guten Grund z.B. die Uncoolness für Hauben (Mützen).

Hinweis für Kontroll-Freaks:

Wenn du weiterhin kontrollieren willst, wirst du weiterhin angelogen werden, es mag auch sein, dass aus der Lüge Gewohnheit wird. Erst, wenn du auf die Wahrheit nicht mit Ärger und Enttäuschung reagierst, erst, wenn du bereit bist, die Beweggründe des anderen anzuerkennen, erst dann wirst du die Wahrheit erfahren. Denn dann bist du dafür offen, die wahren Beweggründe des Partners zu sehen. Und ja, das kann megaschmerzhaft, aber auch heilend sein. Manchmal braucht man dafür Unterstützung, die ich dir gerne anbiete.

Die Lüge ist immer eine Form von Kontrolle.

Manche Menschen ziehen aus bewusstem Lügen und Manipulieren tiefe Befriedigung. Manche lügen gewohnheitsmäßig, um von ihrem Umfeld akzeptiert zu werden. Die meisten Menschen lügen, weil sie Angst vor den Konsequenzen der Wahrheit haben.

Wir erlernen das Lügen bereits in der Kindheit. Wir entwickeln diese erfolgreiche Strategie, um Bestrafungen zu vermeiden.

Jetzt, wo wir groß sind, können wir entscheiden, ob wir lügen wollen oder nicht, wir haben aber noch immer keine Kontrolle darüber, ob wir belogen werden oder nicht. Eines ist jedoch klar: die Lügen-Wahrscheinlichkeit sinkt rapide, wenn der andere sanktionslos die Wahrheit sagen kann und wenn wir offen und interessiert an seinen Beweggründen sind.

Riccarda’s top 3:

Niemand wird gerne angelogen, das ist eine Frage des Vertrauens. Aber eines vorweg. Ich spreche hier von großen und ernsthaften Lügen. Die Lüge aller Lügen: „Nein Schatz, du hast keine dicken Oberschenkel, wirklich nicht.“ betrachte ich eher als Höflichkeit, denn als Lüge. Wie kann es aber nach einer wirklich schmerzhaften Lüge weitergehen?

1. Steh dazu:

Es ist wichtig, die Gefühle des Herzschmerzes und der Enttäuschung anzuerkennen. Ein Kränkungskistchen bringt dich nicht weiter. Der erste Schritt zur Anerkennung ist Mitgefühl mit dir selbst zu haben.

Das solltest du keinesfalls tun: dich selber zu beschuldigen, die Anzeichen nicht erkannt zu haben. Niemand kann immer alles durchschauen, auf manche Lügen fällt man einfach rein. Hab Verständnis für dich.

Es ist vollkommen ok, gekränkt und sauer zu sein. Du darfst es auch rauslassen. Schrei im Auto rum, renn wie wahnsinnig deine Lieblings-Joggingstrecke oder nimm ein Handtuch, rolle es zusammen und verprügle dein Bett. Du darfst auch weinen.

2. Was gibt’s zu lernen:

Wenn du durch den Schmerz durch bist, kannst du dich dafür entscheiden, etwas aus der Situation zu lernen. Zwei Fragen gebe ich dir mit auf den Weg:

1. Habe ich jemand anderen belogen?

2.Habe ich mich selbst belogen, indem ich nicht auf meine innere Stimme gehört habe?

Sei ehrlich und verurteile dich keinesfalls selbst!!!

3. Die Welt dreht sich weiter:

Jedes Mal, wenn der Herzschmerz wieder übergroß wird, akzeptiere es, tauche ein, voller Mitgefühl für dich – und dann lass los. Falle nicht in die Opferrolle, das bringt dir nichts und es führt nicht zur Heilung.

Was passiert, wenn du diese Gefühle nicht loslässt: du kannst krank werden. Du glaubst, deine Rückenschmerzen kommen vom vielen Sitzen? Nun ja….

Die Wahrheit und die Hilflosigkeit über das, was geschehen ist, zu akzeptieren, lässt dich schneller heilen als im Ärger festzuhalten.

Manchmal ist es sinnvoll, diese drei Schritte öfters zu gehen. Sei gewiss, der Schmerz wird von Zeit zu Zeit geringer. Und es wird eine Zeit kommen, in der du immer seltener und seltener daran denkst. Die Enttäuschung, die durch Lug und Betrug entstehen zu heilen, braucht Zeit. Gestehe sie dir bitte zu.

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