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Kleine Kistchen sind megapraktisch. Die einen bewahren darin ihren ersten Milchzahn auf, gerne auch Haarlocken der Kinder, andere Menschen  halten die Muscheln vom letzten Strandurlaub in Ehren. Gerne archiviert werden auch alte Fotos von der ersten Liebe und die Tickets vom xy-Konzert, damals, als….du weißt schon.

Viele Paare hegen und pflegen auch ein Kränkungskistchen. Auch megapraktisch. Hier werden – symbolisch gesehen – alle Kränkungen, die sich im Laufe der Jahre ergeben gut aufgehoben und bei Bedarf hervorgeholt.

Vorteile des Kränkungskistchen:

  • 1. Erfahrung zählt:

    Du brauchst bei einem Streit nicht darüber nachdenken, was du deinem Partner an den Kopf wirfst, greif auf Bewährtes zurück, das zieht immer. Du kannst einen Streit damit erfolgreich auf die nächste Ebene heben.

  • 2. Du bist ein guter Mensch:

    Die Inhalte des Kränkungskistchen zeigen sehr offensichtlich, dass dein Partner böse, rücksichtslos und überheblich ist. Du hingegen bist das arme Opfer. Das sollte er/sie gefälligst einsehen! Inhalte des Kränkungskistchens, die auf deine Kappe gehen, entstanden eher aus Versehen oder weil du provoziert wurdest, du kannst daher nichts dafür. Und wenn man es genau betrachtet, sind deine „Vergehen“ im Vergleich wirklich Kleinigkeiten.

Wo führt es dich hin?

Du merkst, eure beiden Egos lieben das Kränkungskistchen ganz sicherlich sehr, es lässt sich vortrefflich im Streit einsetzen, beinhaltet es doch die Munition, die es braucht, um Kontrolle übereinander zu erlangen. Der eine versucht, zu kontrollieren, der andere versucht, diese Kontrolle abzuwehren oder beide wollen kontrollieren, das ist noch explosiver.

Vorwürfe aus der Vergangenheit sind ein hervorragendes Mittel um Kontrolle zu erlangen.

Spüre einmal in dein Herz hinein. Irgendwo findest du eine staubige, dunkle Kammer, wo alles Leid, alle Kränkungen aufgehoben sind, die bis jetzt noch nicht verarbeitet werden konnten. Nennen wir diese Kammer „das verletzte Selbst“. Das verletzte Selbst glaubt kontrollieren zu können, wie andere über uns denken.

Es glaubt, dass du nur dann liebenswert und frei bist, wenn andere – z.B. dein Partner – gut über dich denken, dich liebt und für dich sorgt. Um ihn dazu zu bringen, wendet dein verletztes Selbst viel Energie auf. Es greift auch voller Begeisterung in das Kränkungskistchen, denn wenn der andere endlich, endlich einsieht, dass er/sie damals einen Fehler gemacht hat, dann ist sicherlich alles gut, dann kann endlich die große, wahre Liebe starten, dann ist das verletzte Selbst zufrieden und fühlt sich liebenswert.

Doch irgendwie will das nie richtig funktionieren.

Die Wahrheit:

Derjenige, der dem anderen Vorwürfe macht, der will kontrollieren, der will sich überlegen fühlen und den anderen klein machen – und doch: am Ende fühlen sich beide klein und schlecht und beide haben verloren.


Mit jedem Öffnen des Kränkungskistchens geben wir unsere eigene Energie hinein, immer mehr und mehr Energie wird in der Vergangenheit gebunden. Du erkennst das an Aussagen wie „Das verzeihe ich dir nie.“ Oder an „Nie werde ich vergessen, als du damals…..“ Natürlich wirst du es nicht vergessen, aber zwischen einer neutralen Erinnerung und einem schmerzhaften Vorwurf ist ein Unterschied. Der Unterschied ist, dass du deine Energie in der Vergangenheit bunkerst, die du jedoch in der Gegenwart benötigst.

Der Königsweg: Verzeihen:

Verzeihen heißt nicht „gutheißen“. Verzeihen heißt nicht, die Kränkungen anzunehmen oder sie als wahr anzuerkennen. Verzeihen heißt auch nicht vergessen.

Die Wahrheit:

Verzeihen heißt loszulassen, die eigene Energie zurück zuholen und frei zu sein!

Verzeihen heißt, reinen Herzens reinen Tisch zu machen, verzeihen heißt, diese Kränkungen abzulegen, seine eigene Energie wieder zurück zu bekommen und zurück zu nehmen. Verzeihen heißt, das anzuerkennen, was war und verzeihen heißt vor allem: Loszulassen.

Loszulassen den Streit, die Worte, die Beleidigungen und die Kränkungen.

Wenn das gelingt – und das ist nicht immer leicht, wie du weißt –  wenn das gelingt, hebst du deinen eigenen Energielevel, keine Energie ist in den alten Vorkommnissen gebunden, du bist frei, kein Opfer, sondern Gestalterin deiner eigenen Realität. Und da willst du schließlich hin oder? Wenn du dir dafür Unterstützung holen möchtest, bin ich gerne für dich da.

Riccarda’s Top 3 für ein leeres Kränkungskistchen:

Das Ziel ist es, das Kränkungskistchen leer zu bekommen und es im Feuer der Vergebung zu verbrennen. Mein Weg dazu:

1. Commitment:

Für mich ist Commitment das Wichtigste in einer Beziehung. Dieses unabdingbare Bekenntnis zu einer Beziehung mit einem anderen Menschen, getragen von gegenseitigem Respekt und von tiefer Verbundenheit, lässt mich „Ja“ zu meinen Gefühlen sagen. Ich habe die tiefe Überzeugung, dass sich die Untiefen, der Schmerz in einer Beziehung irgendwie lösen lassen. (Ja, es gibt Ausnahmen, wo eine Trennung der bessere Weg zu sein scheint.)

2. Neugierde:

Mein Bekenntnis zur Liebe lässt mich dafür offen sein, aus einem Konflikt zu lernen. Mit jedem Handeln versuchen wir etwas zu erreichen. Entweder wollen wir Kontrolle erlangen oder verhindern kontrolliert zu werden. Oder wir wollen vom anderen die Liebe erhalten, die wir uns selbst geben sollten. Wir wollen Ablehnung vermeiden. Auch beliebt: die Angst vor zuviel Nähe und Intimität provoziert uns zum Streit, aus Angst uns selbst zu verlieren. (Über „Wie erkennst du wahre Liebe?“ kannst du hier lesen.)  Eine Beziehung ist in der Tat die beste Bühne, um sich selbst kennen zu lernen. Ich finde das spannend.

3. Kaputte Goldwaage:

Was passiert ist, ist passiert. Die Worte im nachhinein abzuwägen, sie in Seidenpapier zu verpacken, um sie bei Gelegenheit als Waffe  und Vorwürfe verwenden zu können, führt zu nichts, also lasse ich es bleiben. Es gibt eine Aussage meines Mannes, die mein Herz durchbohrt hat, mir den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Ich arbeite seit Jahren daran, diese Wunde zu heilen, aber nie und wirklich never ever verwende ich diese Aussage in einer Diskussion gegen ihn. Ich sehe diese Aussage zwar nicht als Mega-Geschenk an, aber als XXL-Lernprojekt meines Lebens.

1 Kommentar
  1. Sabine
    Sabine sagte:

    Liebe Riccarda,
    hast Du diesen Artikel für mich geschrieben,…kommt mir so vor, …bei der nächsten Beziehung/Partnerschaft wird alles anders…
    Alles Liebe, Sabine

    Antworten

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