3 Wege, um Enttäuschungen zu verarbeiten

Enttäuschungen Riccarda Larcher

Kennst du Enttäuschungen erster Klasse, die dich vollkommen aus der Bahn werfen? Wenn ja, kennst du sicherlich auch die Enttäuschungen zweiter Klasse, die auf deiner Seele eine veritable Wunde hinterlassen.

Last but not least – es wird immer leichter – gibt es auch Enttäuschungen dritter Klasse, sozusagen Alltagskram. Die Drittklassigen sind Verletzungen, Unachtsamkeiten und Gedankenlosigkeiten, die im Alltag passieren. Ohne diese aufplustern zu wollen: eine kleine verletzende Gedankenlosigkeit hier, ein nicht eingehaltenes Versprechen dort summieren sich zu vielen, kleinen Nadelstichen in das Wunder der Liebe. Du meinst, Enttäuschungen dritter Klasse seien es nicht wert beachtet zu werden?

Kleine Enttäuschungen wachsen mit der Zeit.

In meinem im Dezember 2016 erscheinenden Buch „Liebe & Alltag“ spreche ich über Wünsche und dahinter liegende geheime Wünsche. Auch hinter jeder Enttäuschung liegt ein zusätzlicher Enttäuschungsgrund, weil eine Erwartung, ein Wunsch nicht erfüllt wurden.

Die Sache mit dem Panettone

In meiner eigenen Ehe passierte diese Woche folgendes:

Anfang November waren mein Mann, meine Tochter und ich in Triest auf Urlaub. Als Erinnerung an die schönen Tage brachten wir einen Panettone (typisch italienischer Weihnachtskuchen) mit.  Ich freute mich auf ein gemeinsames Sonntagsfrühstück mit Panettone, um nochmals so richtig in den Urlaubserinnerungen zu schwelgen. Der Kuchen thronte verheißungsvoll in der Küche, verpackt  in rotes Geschenkpapier mit grüner Schleife, und wartete auf Sonntag.

Doch was geschah? Ich kam dienstags in die Küche und fand den Panettone angeschnitten vor. Ich war doppelt enttäuscht.

Die zwei Ebenen der Enttäuschung:

  1. Die sichtbare Enttäuschung:
    Mein Plan des gemeinsamen Sonntagsfrühstücks mit unserem Souvenir war zerstört.
  2. Die dahinterliegende Enttäuschung:
    Mein Mann hatte das „gemeinsame“ Souvenir eigenmächtig für sich beansprucht. Er degradierte meine Urlaubserinnerung zum simplen Kuchen. Mein Bedürfnis nach Gemeinsamkeit und Verbundenheit, das sich in der Vorstellung des Sonntagsfrühstücks ausgedrückt hatte, war tief verletzt. Meine Vorfreude war zerstört, mein Herz schwer (ja, manchmal hänge ich an Kleinigkeiten)

Zugegebenermaßen war das eine Enttäuschung dritter Klasse bzw. eine drittklassige Enttäuschung. (Hintergrundinfo für Dich: Mein Mann ist bekennender Workaholic, daher sind gemeinsam verbrachte Zeit und schöne Begleitumstände für mich ein rares und sehr wertvolles Gut.)

Selbstverständlich habe ich sofort mit meinem Mann darüber gesprochen. Ich möchte ihm die Möglichkeit zu lernen, nicht vorenthalten.  Ob er meinen Standpunkt nachvollziehen konnte, weiß ich nicht, aber er nahm meine Traurigkeit wahr.

Wo lag mein Anteil?

Es geht hier nicht um Schuld, aber ich halte es für eine gute Idee zu überprüfen, ob und wenn ja wie ich dazu beitrug, diese Enttäuschung dritter Klasse zu ermöglichen.  Vollkommen wertfrei stelle ich fest:

  1. Gedanken lesen:
    Entgegen aller Gerüchte und Erwartungen können Männer keine Gedanken lesen. Auch meiner nicht. Er konnte daher meine Pläne für das Sonntagsfrühstück nicht kennen.
  2. Unterschiedliche Werte:
    Für mich war der Panettone ein Stück Urlaub, ein Stück Erinnerung an eine wunderbare gemeinsame Zeit. Für meinen Mann war der Panettone ein Kuchen, auf den er jetzt Lust hatte. Ich kann nicht davon ausgehen, dass wir beide in einer Sache das Gleiche sehen.
  3. Fehlende Gemeinsamkeit:
    Vor meinem inneren Auge war die Szene des Sonntagsfrühstücks perfekt ausgeleuchtet, die Sonne schien und vor dem Fenster sammelte ein Eichhörnchen sogar Nüsse für den Winter. Ein perfektes Bild.
    Ich habe meinen Plan jedoch nur für mich geschmiedet und meinen Mann nicht miteinbezogen. Ich werfe ihm fehlende Gemeinsamkeit und Abstimmung vor und mache genau das Gleiche. Er spiegelte mein eigenes Verhalten.

All diese Erkenntnisse erleichtern meine Enttäuschung momentan zwar nicht wesentlich, rücken sie aber trotzdem in die richtige Größenordnung.

Worin liegt der Vorteil?

Meistens findet sich in jeder Situation irgendein Vorteil, hier sind es sogar zwei:

Vorteil 1:
Schon lange habe ich keinen Blog-Redaktionsplan mehr, denn meine Themen entstehen anlassbedingt oder finden mich unter der Dusche. Ich erkenne, dass die Panettone-Sache sich wunderbar als Blogartikel eignet.

Vorteil 2:
Mein Mann nützte die Gelegenheit zu einer liebevollen Handlung. Er erkannte, dass ich wirklich enttäuscht war und kaufte einen neuen Panettone. Somit kann unser Sonntagsfrühstück wie geplant stattfinden. Auch wenn der neue Panettone vom hiesigen Supermarkt stammt, für mich ist es unser Italien-Kuchen.

Nicht immer lassen sich Enttäuschungen dritter Klasse so auflösen. Wie gehe ich also sonst damit um?

Riccarda’s top 3 Enttäuschungslöser:

1. Rette, was geht:

Bevor du weinst, enttäuscht oder zornig bist, schalte das Logikzentrum deines Gehirns ein. Was kannst du tun, um die Enttäuschung zu verkleinern? Ich brachte den angegessenen Panettone sofort in Sicherheit, bevor ich mit meinem Mann sprach. Gibt es nichts zu retten, dann: shit happens, atme tief ein – und tief wieder aus. Versuche, dich nicht zu beschweren, sondern einen ergebnisfokussierten Weg zu finden.

2. Erkenne den geheimen Wunsch:

Wenn etwas nicht nach deinen Vorstellungen läuft, du nicht bekommst, was du willst, dann bist du enttäuscht. Welche Emotion liegt hinter deinem Wunsch, dessen Nichterfüllung dich enttäuscht? Bei mir: Gemeinsamkeit und Verbundenheit druch das gemeinsame Frühstück und feierliches Anschneiden des Panettone.

3. Let’s do it again:

Wie kannst du den geheimen Wunsch trotz Enttäuschung (bei mir: Gemeinsamkeit) doch noch in die Realität bringen? Entweder durch einen neuerlichen Versuch (z.B.: Kauf eines neuen Panettone, danke, mein Schatz!) oder eine andere Umsetzung z.B. gemeinsamer Spaziergang und Unterhaltung über den Urlaub.

Wie gehst du mit den kleinen Enttäuschungen des Alltags um? Bist du zutiefst traurig oder zuckst du mit den Schultern? Klagst du an und attackierst du oder ziehst du dich zurück? Was sind deine Strategien, um den kleinen Nadelstichen des Lebens umzugehen?

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