Gebrochene Versprechen – und wie du damit umgehst

Der erste große Schmerz eines gebrochenen Versprechens hat dich wahrscheinlich in der Kindheit ereilt. Egal, ob der versprochene Ausflug ins Wellenbad ausfiel, das versprochene Eis wegen Verkühlung storniert wurde, das versprochene Souvenir nicht geliefert wurde oder das Geburtstagsgeschenk anders ausfiel als versprochen. Ganz zu schweigen vom Zuspätkommen deiner Götter = Eltern zu Theater- und sonstigen Aufführungen.

Es tut verdammt weh, enttäuscht zu werden – und ist doch nicht zu verhindern.

Entweder du brichst ein Versprechen selbst oder wirst von jemand anderem enttäuscht. Trotzdem oder gerade deshalb stehen Verlässlichkeit und Ehrlichkeit wahrscheinlich in deiner Werteskala ganz oben und wenn du Kinder hast, hast du ihnen sicherlich bereits erklärt: „Was man verspricht, muss man einhalten.“

Und doch werden Versprechen häufig gebrochen.

Die meist gebrochenen Versprechen:

  1. Bis dass der Tod euch scheidet –> wirf einen Blick in die Scheidungsstatistik (41,6% für 2015)
  2. Ewige Treue –> rund jeder Zweite geht fremd
  3. Ab sofort halte ich meine Versprechen ein

Der Grund, warum so viele Versprechen gebrochen werden, liegt darin, dass wir zu leichtfertig versprechen. Mein Mann verspricht z.B. seinen Schreibtisch aufzuräumen und sich ab sofort mehr zu bewegen. Weil es ihm aber nicht wirklich wichtig ist, hält er diese Versprechen nicht ein.

Was er jedoch sehr wohl einhält: alles, was er wirklich für mich tun möchte. Sei es, eine Flasche Sekt zu besorgen, die ich als Mitbringsel brauche, aber keine Zeit habe, selbst einkaufen zu gehen oder seine Meinung zu meinem Selbstwert-Kurs abzugeben, den ich gerade erarbeite. Ich kann mich zu 100% auf ihn verlassen, wenn es wirklich wichtig ist. Seine Versprechen mir gegenüber seinen Schreibtisch aufzuräumen oder mehr Sport zu betreiben, sind ihm nicht wirklich wichtig und ich nehme sie auch nicht mehr ernst.

Spieglein, Spieglein an der Wand

Du weißt wahrscheinlich bereits: Deine Umwelt spiegelt dich. Du ärgerst dich über die Unverlässlichkeit deines Umfelds, du gerätst in Rage über gebrochene Versprechen? Das verstehe ich. Und gleichzeitig stelle ich dir die Frage:

Wo hältst DU deine Versprechen nicht ein?
Anderen gegenüber nicht und vor allem dir selbst gegenüber nicht?

Ich selbst bin mir gegenüber derzeit in zwei Punkten nicht verbindlich:

  1. Zuwenig Bewegung – der Klassiker:

    Ich mache weniger Bewegung als ich sollte und möchte. Ich verwende sogar mein Asthma als Ausrede, um nicht zu joggen, sondern nur gemütlich spazieren zu gehen.

  2. Fehlende Verbindlichkeit:

    Ich nahm im Februar 2017 an Ludwigs Kamera Nervosität überwinden Challenge teil. Eine grandiose Challenge, die ich aus tiefstem Herzen empfehle. Danach nahm ich mir vor, pro Monat ein kleines Video online zu stellen … mehr brauche ich wohl nicht zu schreiben oder?

Sei ehrlich! Hältst du deine Versprechen dir und anderen gegenüber immer ein?

Was ist überhaupt möglich?

Kann jemand, der im Stress ist, jemand, der sich vielleicht nicht um sich selbst und um seine Gesundheit kümmert, wirklich anderen gegenüber seine Versprechen halten?

Dann wäre da noch die Sache mit der Selbstliebe.

Wie sehr ist es von Selbstliebe geprägt, sich auf einen Menschen zu verlassen, dem momentan die eigene Stärke fehlt? Du hast keine Kontrolle über das Verhalten anderer Menschen, du kannst nicht beeinflussen, ob andere ihre Versprechen halten oder nicht. Du entscheidest jedoch sehr wohl, wessen Versprechen du glaubst.

Und wenn du dich fragst:
„Ist es zu viel verlangt sich auf andere verlassen zu können?“

Ja, ist es manchmal.

Die Frage dahinter lautet:

Warum entscheidest du dich, nicht vertrauenswürdigen Personen zu vertrauen? Die wirkliche Lernaufgabe besteht darin, zu erforschen, warum du Unzuverlässigkeit akzeptierst, wenn es dich stört.

Menschen, die Versprechen brechen, können jedoch andere Qualitäten haben. Meine Freundin Steffi ist extrem unpünktlich, hat aber andere Qualitäten. Ich akzeptiere ihre Unpünktlichkeit und beklage mich nie. Ich schätze Steffi sehr, würde sie jedoch nie bitten, mich zum Flughafen zu chauffieren, denn diese Erfahrung wäre für uns beide höchstwahrscheinlich eine extrem enttäuschende.

Der Vorteil der Beklagerei:

Berechtigte Anlässe zum Beklagen gibt es immer: dein unzuverlässiger Mann, die Arbeitskollegen, die ihre deadlines nicht einhalten, unpünktliche Personen! Du bist echt arm! Und schwupps landest du wieder mal in der allseits beliebten Opferrolle. Opfer sein heißt, andere haben Macht über dich, Du darfst alle Verantwortung von dir schieben. Einerseits entspannt es natürlich, aber willst du wirklich machtlos sein? Ein besserer, wenn auch nicht immer einfacherer Weg wäre, dich nicht auf andere zu verlassen, wenn es dir wirklich wichtig ist.

Um mit gebrochenen Versprechen besser umgehen zu können, gebe ich dir drei Fragen mit auf den Weg:

  1. Welche gebrochenen Versprechen stören, verärgern, verletzen dich am meisten z.B. Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit (werde so konkret wie möglich!)
  2. Wo bin ich mir selbst gegenüber unpünktlich, unzuverlässig etc. (Das ist der Punkt an dem du vielleicht Hilfe von außen brauchen könntest)
  3. Was braucht es, um deine Versprechen dir gegenüber leicht einhalten zu können?

Wenn du gar keinen Zusammenhang zwischen gebrochenen Versprechen deines Umfeldes und dir siehst, dann frage dich zusätzlich:

Welchen Vorteil habe ich, wenn ich in der Opferrolle verharre?
Warum glaube ich, dass ich so arm bin und mich daher beklagen darf/soll/muss?

Zugegeben diese Fragen sind sehr tricky und dein Ego wird Nebelgranaten zünden, damit du die Antworten nicht wahrnehmen kannst. Nimm dir Zeit, warte bis sich der Neben verzieht und dann schau hin – es zahlt sich aus.